Gefühlt unterqualifiziert oder überbezahlt in der IT-Branche?!

Das Dilemma zu denken, dass man nicht genug weiß und sein Geld eigentlich nicht wert ist, hat wahrscheinlich jeder der im IT-Bereich arbeitet ab und an mal. Dies ist wohl als das „Hochstaplersyndrom“ (engl. „Impostor Syndrome“) bekannt. Dabei ist das eigentlich dämlich, denn man kann einfach nicht alles wissen und man kann nicht in allem ein absoluter Experte sein. Viel wichtiger ist es, dass man sich das gerade nötige Wissen „selbständig“ in einem einem akzeptablen Zeitraum aneignen kann und zwar wirklich dann wenn es erforderlich ist.

Windows, Linux, Mac, C#, C++, Python, PHP, JavaScript, Docker, VMware, Blockchain, … – und dies ist nur ein kleiner Auszug aus dem unendlichen IT-Universum. Wer denkt, er könne in allem ein absoluter Experte sein, muss wohl jede Sekunde des Tages mit diesem ganzen Kram verbingen und wird trotzdem mitnichten in allem Aufblühen können. Dies ist auch gar nicht nötig. Sich mit allem absolut ausführlich zu beschäftigen ist meiner Meinung nach sogar eher kontraproduktiv, denn zu allem Überfluss ist das Erlernte auch oftmals noch von einer kurzen Halbwertszeit. Man könnte es auch als „Technologie- oder Wissens-Inflation“ bezeichnen. Allerdings ist hier die Inflationsrate wohl höher als die des Geldes. Dinge die heute noch von Bedeutung waren können in zwei Monaten überholt und nahezu komplett überflüssig geworden sein. Software wird nicht mehr weiterentwickelt oder eine Programmiersprache ist nicht mehr „in“ oder der Arbeitgeber steigt auf eine andere Plattform/Betriebssystem/etc. um. Die Gründe warum man Wissen für eine bestimmte Technologie plötzlich nicht mehr benötigt können vielfältig sein.

Zertifikate und Fortbildungen am laufenden Band? Es gibt wohl Leute, die nichts anderes machen, als sich dauerhaft auf irgendwelche Prüfungen für meiner Meinung nach wertlose Zettel über das Bestehen einer Prüfung von Technologien mit kurzem Bestand vorzubereiten. Irgendwann muss man sein Wissen einfach mal einsetzen. Es bringt nichts ein Zertifikat nach dem anderen zu jagen. Wenn diese dann auch noch nach einiger Zeit ihre Gültigkeit verlieren, weil die Informationen sowieso nicht mehr up-to-date sind, dann kann man sich das ganze sowieso schenken. Bisher wurde von mir auch noch kein solches Zertifikat verlangt. Ich erinnere mich noch daran, dass bevor meine damalige Ausbildungsstelle zum FiSi bei meinem Ex-Arbeitgeber geschaffen wurde, wohl jemand mit einem Haufen an Zertifikaten dort als Systemadmin eingestellt worden ist. Allerdings hatte dieser wohl wirklich Null Ahnung und konnte nicht einmal einen Druckertreiber installieren. Er war wohl nur irgendein Pressesprecher oder so etwas  bei seinem vorherigen Arbeitgeber. Sämtliche Zertifikate zu haben kann also auch ein Schritt in die falsche Richtung sein und ordentlich nach hinten losgehen wenn man nur auswendig gelernt hat und in der Praxis nichts drauf hat.

Man kann durchaus davon sprechen, dass man z. B. Erfahrung mit Windows-Servern hat, wenn man mal einen Domain Controller aufgesetzt hat und sonst nicht viel damit gemacht hat. Wenn man grundlegend mit einem Windows-Server umgehen kann, sollte es keinen Grund geben, wieso man nicht in kurzer Zeit in der Lage sein sollte, z. B. einen DFS oder einen RDS damit aufzusetzen. Das meiste Wissen kann man sich eh erst dann brauchbar aneignen, wenn es bereits gebraucht wird. Ansonsten geht es aufgrund des Praxis-Mangels sowieso wieder verloren oder man hat noch gar keine konkrete Vorstellung wofür man das gerade überhaupt macht.

Wie eingangs erwähnt ist die wichtigste, aber leider von vielen Arbeitgebern nicht wahrgenommene, Eigenschaft die ein Mitarbeiter haben sollte, dass er selbständig erkennt welches Wissen für welche Projekte/Ziele nötig ist und dass er sich dieses aneignen kann. Ob er dafür immer irgendeine Prüfung ablegen muss wage ich zu bezweifeln. Deshalb ist es keine Schande und man braucht sich definitiv nie, wirklich zu keinem Zeitpunkt, überbezahlt zu fühlen wenn man zu Beginn eines Projektes von einer Technologie absolut keine Ahnung hat oder wenn die Anfrage für eine bestimmte Funktionalität eines bereits seit 10 Jahren genutzten Systems reinflattert und man erst mal nichts damit anzufangen weiß.

 

Tobias Langner

Tobias Langner

Ich arbeite seit mehreren Jahren als Software-Release-Manager, zuvor als IT-Administrator, bin ausgebildeter Fachinformatiker für Systemintegration und Studium-"Pausierer" an der FernUni Hagen. Achtung: Für die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen, Skripte, etc. übernehme ich keine Gewähr. Deren Nutzung geschieht ausdrücklich auf eigene Gefahr!

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