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Ist eine GBit-Leitung sinnvoll?

Der Breitbandausbau und Mobilfunk in Deutschland ist, wie jedem bekannt sein sollte, im Vergleich zu anderen Ländern einfach nur ein Witz. Ich verweise hier gerne auf ein Videogespräch, das meine Frau vom El Teide, dem höchsten Berg/Vulkan Spaniens, ohne Probleme führen konnte. Und hier haben wir eine 16 MBit-Leitung der Telekom, weil mehr „nicht geht“. Seit mittlerweile einigen Monaten haben wir zum Glück eine GBit-Leitung der Deutschen Glasfaser.

Natürlich stellt sich die Frage, wie sinnvoll eine Leitung mit einer solchen Bandbreite für einen privaten Haushalt (mit Online-Nebengewerben) ist, wenn selbst die meisten Unternehmen nicht mal annähernd über einen solch schnellen Anschluss verfügen und das obwohl insbesondere IT-Unternehmen dies mit Sicherheit gebrauchen könnten. Um die Beantwortung dieser Frage und die Vermeidung einer falschen Erwartungshaltung soll es in diesem Artikel gehen.

Warum überhaupt eine GBit-Leitung?

Der einzige Grund überhaupt die GBit-Leitung (die Geschwindigkeit ist natürlich nicht synchron zum Download, im Upload hat die Leitung bei der Deutschen Glasfaser 500 MBit/s) überhaupt zu wählen liegt auf der Hand:

Im ersten Jahr ist die Leitung genauso teuer wie der niedrigste wählbare Tarif. Von daher war es ein No-Brainer diesen Tarif zu wählen und mal zu schauen was von der Leistung tatsächlich ankommt und ob man sie überhaupt sinnvoll nutzen kann. Nach Ablauf des ersten Jahres ist diese mit ca. 90 € im Monat für einen Privathaushalt natürlich recht teuer. Auch wenn man bedenkt, dass unsere noch parallel nutzbare Telekom-Leitung mit gerade einmal 16 MBit/s mehr als ein Drittel der GBit-Leitung kostet ändert dies natürlich nichts daran, dass es insgesamt doch zu teuer ist. Deshalb werde ich den Tarif zum Ablauf des ersten Jahres vermutlich auf 400 MBit/s herabsetzen, was immer noch stolze 50 € im Monat kostet. Bei diesem Tarif hat man auch immer noch 200 MBit/s für den Upload.

 

Technische Voraussetzungen

LAN – lokales Netzwerk

Bei den meisten Heimnetzwerken dürfte man mit einer 1 GBit-Leitung das Maximum aller beteiligten Geräte (Router, Switches, Netzwerkkarten, LAN-Kabel) ausreizen. Das heißt wenn man z. B. lokal eine Datei von Rechner A zu B kopiert so kann man schon nicht mehr von einem der beiden Rechner mit der maximalen Geschwindigkeit ins Internet. Dies gilt übrigens für Upload und Download zusammengenommen, da die Netzwerkkarte ja nicht für beide Richtungen 1 GBit gesondert zur Verfügung stellen kann. Wenn die Karte schon mit dem Download maximal ausgereizt ist, kann man nicht auch noch den Upload von 500 MBit/s zusätzlich dazu packen! Diese parallele Nutzung wird den Download wieder verlangsamen.

Zu beachten ist außerdem, dass immer ein gewisser Overhead im Netzwerk entsteht. Dies ist TCP/IP-bedingt nicht vermeidbar und ein Overhead von 5 bis 10 % ist realistisch und würde hier natürlich bedeuten, dass 50 bis 100 MBit/s bei den meisten Anwendungsfällen alleine schon dafür drauf gehen!

WLAN – Wireless

Wer zuhause sowieso nur WLAN hat wird in den seltensten Fällen eine GBit-Leitung benötigen, außer wirklich alle Geräte mit denen man das Internet exzessiv nutzen möchte unterstützen den entsprechenden WLAN-Standard. Ansonsten hat man natürlich das Maximum was im WLAN lokal geht auch als Verbindungsgeschwindigkeit ins Internet. Bei uns im Schnitt 100 MBit/s. Dafür reicht dann aber natürlich ein wesentlich niedrigerer Tarif.

 

Wie sieht es denn nun in der Praxis aus?

Surfen

Ganz klar lässt sich sagen, dass einem die immense Download-Geschwindigkeit von 1 GBit/s in der Praxis nicht so viel bringt. Für das normale Surfen ist dies sowieso irrelevant. Beim Aufruf einer Webseite gibt es sowieso eine kurze Latenz wegen der DNS-Anfrage und der Anfrage der einzelnen Dateien die vom Server geladen werden müssen. Die meisten Webseiten sind heute zwar riesig im Vergleich zu Modem-Zeiten, aber ob ein Bild mit 500 KByte Größe nun mit einer 50, 100 oder 1000 MBit-Leitung heruntergeladen wird macht eigentlich keinerlei Unterschied. Zumindest bemerkt man dies nicht. Denn abhängig ist dies auch davon, ob einem die Gegenseite überhaupt die Daten in der gleichen Geschwindigkeit bereitstellt. Und genau das ist sowieso der Knackpunkt: Gerade bei den von vielen kleinen bis mittelgroßen Webseiten genutzten Shared-Webhostern aber auch bei günstigeren gemieteten Webservern beträgt die Gesamtbandbreite, die der Webserver für die aufzurufende Webseite bereitstellt, gerade einmal insgesamt 1 GBit/s. Da nützt einem auch ein Download von 1 TBit/s nichts wenn man sich das eine GBit, das der Webserver bereitstellt, mit 1000 anderen Nutzern geteilt werden muss.

Dateien down-/uploaden

Beim Downloaden großer Dateien merkt man dies natürlich wiederum, zumindest solange man den Download auch voll ausschöpfen kann. Tatsächlich ist dies aber aus dem bereits beschriebenen Grund eher selten der Fall. Bei Test-Downloads aus dem Usenet beispielsweise war die Download-Geschwindigkeit auf einem absoluten Maximum.

Der wirklich große Pluspunkt ist der Upload! Insbesondere dann wenn man viele große Dateien uploaden muss oder 4K-Videos auf Youtube veröffentlichen will. Für ein 20 Minuten Video in 4K braucht man meistens nur zwei bis vier Minuten!

Backups in der Cloud sind mit einem Upload von 400-500 Mbit/s wirklich der Hammer. Über 260 GByte an Familienfotos ins OneDrive zu sichern ist an einem Abend erledigt. Mit der alten Leitung wäre dies vielleicht der Fall wenn ich in Rente gehen kann. Also nie 😀

Streaming

Beim Streaming über Netflix hatten wir selbst mit unserer 16 MBit-Leitung keine Probleme und konnten dabei noch surfen. Größere Downloads wurden parallel natürlich ausgebremst. 4K-Streams haben wir mangels eines passenden Fernsehers nicht genutzt. Laut anderen Seiten fährt man hier aber mit einer 50 MBit-Leitung bereits sehr gut. Hier bringt eine 1 GBit-Leitung also keinen Vorteil, außer man will 20 Dinge gleichzeitig streamen…

Speedtests

Viele Speedtests sind nicht wirklich aussagekräftig. Laut den meisten erreichen wir eine Download-Geschwindigkeit von 600-900 MBit/s. Ob die Leitung nun wirklich vollständig nutzbar ist konnte ich nicht abschließend klären, da man sowieso aus den angesprochenen Gründen so gut wie nirgendwo in den vollen Genuss kommen wird. Nach Nachfrage bei der Deutschen Glasfaser und deren Messung sei aber alles in Ordnung. Im Interface des Routers jedenfalls wird auch 1 GBit angezeigt.

Hier sind einige recht unterschiedliche Speedtest-Ergebnisse:

Es hat sich gezeigt dass diese wie auch auf den Testseiten beschrieben nach Tageszeit, verwendetem Computer etc. doch stark variieren und nicht wirklich zuverlässig sind.

 

Fazit

Fürs Surfen und Streamen tut es auch eine 50 MBit-Leitung. Wer einen sehr sehr schnellen Upload benötigt kommt an einer GBit-Leitung kaum vorbei, da man nur hier in den Genuss dieser hohen Upload-Geschwindigkeit kommt. Leider kann man sich nicht einen individuellen Tarif mit höherem Upload „zusammenstellen“. Denn der hohe Download ist tatsächlich eher uninteressant, sodass eine Leitung mit 500 oder 400 MBit/s synchron bei entsprechendem Preisnachlass meiner Meinung nach wesentlich interessanter wäre.

Letzten Endes ist die Frage ob es einem nahezu eine Verdopplung der monatlichen Gebühr wert ist um statt zwei Minuten vielleicht 10 oder 15 Minuten auf einen Up- oder Download zu warten. Im Prinzip ist dies immer noch so viel schneller als mit einer normalen DSL-Leitung, dass es eigentlich nicht wirklich relevant ist. Auch wenn es cool ist ein 4K-Video in einer Minuten auf Youtube hochladen zu können ist es wohl sinnvoller darauf zu verzichten und die monatlich gesparten 40 bis 45 € in einen MSCI World ETF zu prügeln.

Anstatt eine GBit-Leitung für wenige wäre vermutlich eine flächendeckende Versorgung mit 100 oder 200 MBit/s, am besten synchron im Up- und Download, für einfach alle in diesem Land am besten. Aber das bleibt vermutlich eine Wunschvorstellung.

 

Tobias Langner

Tobias Langner

Ich arbeite seit mehreren Jahren als Software-Release-Manager, zuvor als IT-Administrator, bin ausgebildeter Fachinformatiker für Systemintegration und Studium-"Pausierer" an der FernUni Hagen. Achtung: Für die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen, Skripte, etc. übernehme ich keine Gewähr. Deren Nutzung geschieht ausdrücklich auf eigene Gefahr!

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