Einige Jobangebote von Unternehmen mit vermeintlich „coolen“ Startup-Mentalitäten sind bei mir bei Xing & Co. schon mal zugegangen. Ebenfalls habe ich vor einigen Jahren mal die Idee gehabt, mich bei einem „hippen“ Unternehmen in der Reisebranche bewerben zu wollen, weil ich auf deren Webseite oder in einem Video gesehen habe, dass man dort während der Arbeitszeit „chillen“ und sich mit einem Notebook in eine gemütliche Ecke pflanzen kann. Warum ich das rückwirkend betrachtet gar nicht mehr so cool finde und auch bei solchen Unternehmen vermutlich doch nicht arbeiten wollen würde, erkläre ich in diesem Artikel.
Ich habe über die vergangenen Jahre viele Videos auf Youtube gesehen mit Titeln wie „A day in the life of a software developer at …“ Gezeigt wird in diesen Videos der meist recht lange Tag eines überglücklichen Mitarbeiters, der morgens eine Runde joggt oder sich anderweitig betätigt, bevor er in die Firma fährt und dort ganz lässig an die Arbeit geht. Die Arbeit unterbricht er auch für ein ausgedehntes Frühstück und Mittagessen und hängt gefühlt Stunden lang mit seinen Kollegen ab. Abends trifft man sich dann noch auf ein Bier mit den Kollegen, bevor es irgendwann spät abends nach Hause geht. Und der ganze Tag ist um… In Deutschland ist dies zwar nicht so stark ausgeprägt wie in den U.S.A., aber viele Arbeitgeber versuchen es auch hier mit irgendwelchen „Benefetis“.
Warum ich nicht bei einem „richtigen“ Startup oder an einem „coolen“ Arbeitsplatz, wie ich sie in den Youtube-Videos gesehen habe, arbeiten wollen würde:
- Ich will keine „coolen“ Team-Events in meiner Freizeit, meine Freizeit brauche ich für Familie, Arzttermine, eigene Projekte oder einfach mal „nichts“
- Ich will nicht abends mit den Kollegen ins Kino / ein Bier trinken und dabei weiter über die Arbeit reden, das ist irgendwie der falsche Ansatz für eine „Work-Life-Balance“
- In einem Buch oder Video zu den Microsoft-Gründungstagen hieß es, dass es normal war, dass man abends mit den Kollegen ins Kino ging und dann um 22 Uhr wieder ins Büro um weiter zu programmieren (!)
- Ich will nicht während der Arbeit „chillen“ oder X-Box spielen, wenn ich die Zeit dann nachher anhängen und gestresst nacharbeiten muss
- Ich will keine 8 Stunden Arbeit auf 12 oder 16 Stunden mit unsinnigen Unterbrechungen strecken
- Ich will nicht mal die gesetzliche Pause von 30 Minuten haben, sondern würde die Zeit lieber abziehen und eher verschwinden
- Ich will keine bösen Blicke ernten, wenn ich „nur“ die vertraglich vereinbarten Stunden ableiste und mich pünktlich nach Hause verdrücke und nicht übermäßig am Erfolg der Ideen anderer Leute beteiligt sein möchte. Ein Steve Jobs als Chef hätte mich wohl recht schnell gefeuert 😀
- Ich will auch keine topaktuelle Hardware vom Arbeitgeber gestellt haben über die ich für ihn immer erreichbar bin. Wenn ich über mein Handy nicht erreichbar bin oder mein Computer zu Hause „kaputt“ ist, dann ist das halt so 😉
Dabei ist die Herangehensweise der Unternehmen durchaus clever. Indem man dem Mitarbeiter das Gefühl vermittelt, er würde gar nicht „mehr arbeiten“ und müsste nicht unbedingt nach Hause, bringt man ihn für ein paar angesagte Lebensmittel, eine aktuelle Spielekonsole und eine gemütliche Sitzecke und das Fitness-Studio im Firmengebäude dazu, dies letzt endlich doch zu tun.
Wenn man das alles für ein eigenes Unternehmen macht, ist die Aufwendung von so viel Zeit vollkommen in Ordnung. Allerdings wird man dann auch eher 16 Stunden wirklich richtig arbeiten und nicht Stunden lang zocken. Ansonsten habe ich es lieber, wenn mein Kollege um 16:32 Uhr zu mir sagt: „Denk dran, du hast um 8 Uhr angefangen. Mach nicht unnötig länger…“